Freitag, 23. Mai 2014

ADHS und seine Symptomvielfalt

Viele Menschen verbinden mit ADHS vor allem Unkonzentriertheit, Herumzappeln, Trotzverhalten und Chaos. Doch das sind nur wenige Aspekte des großen Spektrums der typischen ADHS-Verhaltensweisen und kommen längst nicht bei jedem Betroffenen vor. Menschen mit ADHS können sich sehr ähnlich sein, aber auch komplett unterschiedlich. Das ist sowohl von der Persönlichkeit abhängig als auch vom Umfeld und den sogenannten Komorbiditäten. Denn kaum ein ADHSler hat „nur“ ADHS. Viele haben zusätzlich beispielsweise Ängste oder Zwänge entwickelt, die das ADHS-Verhalten abmildern oder sogar komplett ausbremsen. Auch wenn Angst- und Zwangsstörungen per Se nicht schön sind, können sie im Fall von ADHS eine schützende Wirkung haben.

So kann zum Beispiel die Angst vor gefährlichen Situationen, in denen man sich verletzen oder gar sterben könnte, bei Betroffenen dazu führen, dass sie nicht so riskant Autofahren, wie man es sonst häufig von ADHSlern kennt.

Auch die Angst davor, im eigenen Chaos nicht mehr durchzublicken (sei es Papierkram, Klamotten usw.), kann dazu führen, dass ADHSler regelrecht "überordentlich" sind. Viele schaffen sich sogar klare Strukturen, schreiben To-do-Listen, führen sorgfältig einen Terminkalender und erstellen sich eigene Arbeitspakete, um besser zurecht zu kommen. Dieser große Ehrgeiz führt dazu, dass man von außen meinen könnte, sie hätten gar kein ADHS.

So ähnlich ist es mit Betroffenen, die sich immer erst in ihre „perfekte Fassade“ hüllen, bevor sie aus dem Haus gehen. Sie wirken auf andere freundlich, zuvorkommend, einfühlsam und erwecken den Eindruck, als wären sie einer der glücklichsten und ausgeglichensten Menschen der Welt. Nur wer sie genauer kennt, weiß, das so eine Fassade auch ihren Preis hat. Und den muss auch die Familie bzw. die nächsten Angehörigen zahlen. Denn sobald der „perfekt funktionierende ADHS-Fassadenmensch“ wieder in seiner vertrauten Umgebung ist, ist er doch wieder ganz der alte. Launisch, sensibel, kränklich oder auch anders anstrengend... Auf jeden Fall braucht er dann meist jemanden, der sich um ihn kümmert.

Aber zurück zu den „typischen“ ADHS-Verhaltensweisen, von denen jeder Betroffene seine ganz persönliche Mischung hat. Die folgende Tabelle soll zeigen, dass manche Eigenschaften sowohl gute als auch schlechte Seiten haben.


Eigenschaft daran positiv daran negativ
sehr sensibel/emotional großes Einfühlungsvermögen leicht verletzlich
Stimmung schwankt (lässt sich nicht steuern) große Begeisterung und Freude möglich schnell enttäuscht
unfähig, Reize zu filtern bekommt alles mit, gute Beobachtungsgabe leicht ablenkbar, unkonzentriert
kreativ und ideenreich findet für (fast) alles eine Lösung, will vieles optimieren führt kaum etwas zu Ende, weil schon wieder die nächste Idee kommt
„Helfersyndrom“ eigentlich alles aber: kann leicht ausgenutzt werden
spontan sehr flexibel, Improvisationstalent wirft auch mal Dinge zu schnell über den Haufen
risikobereit manchmal nützlich und wichtig mangelnde Gefahreneinschätzung kann schlimme Folgen haben

Und hier noch einige Stärken und Schwächen, die sich dort nicht einordnen lassen:

Stärken:
  • großer Tatendrang, viel Energie
  • ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
  • große Zuverlässigkeit in Notsituationen
  • besondere Leistungsfähigkeit im Hyperfokus
  • sehr schnelle Auffassungsgabe
  • oft überdurchschnittliche Intelligenz
  • humorvoll, schlagfertig

Schwächen:
  • oppositionelles Verhalten (aus Prinzip „dagegen sein“)
  • Schwierigkeiten, sich unterzuordnen oder anzupassen
  • impulsives Verhalten, Aggressivität
  • wenig Strukturiertheit, häufig Chaos (z. B. unpünktlich, vergesslich)
  • häufiges Aufschieben unangenehmer Tätigkeiten (z. B. Hausaufgaben, Formulare ausfüllen)
  • geistige und/oder motorische Unruhe (z. B. träumen, grübeln, zappeln)
  • schnell gelangweilt
  • alles persönlich nehmen, schnell beleidigt sein, nicht kritikfähig

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen